kraftplatz
Die Burgum – ein Kraftplatz
Die „Burgumer Alpe“, schlicht „Die Burgum“ genannt, ist nicht einfach ein Wanderziel unter vielen. Wer hier hinaufsteigt bis zur „Sterzinger Hütte“ weiß warum. Im Weiler „Burgum“ dem Bach entlang, und bald schon hören wir es rauschen. Eines der schönsten Naturdenkmäler der Region lässt sich hören, und es blitzen jäh im Sonnenlicht zahllose Kaskaden eines filigranartig verästelten Wasserfalls auf. Dazwischen dunkelolivgrünes Moos, aufgesogen mit kristallklarem Wasser. Man weiß gar nicht von welcher Seite man den besten Einblick hat. Dieser Quellwasserfall ist denn auch bereits vor einigen Jahren unter Naturschutz gestellt worden. Ein Naturdenkmal zum Sattsehen und Träumen. Hier sollte jeder rasten.
Dann weiter hinauf. Wir queren den Burgumer Bach und erreichen durch einen märchenhaften Hochwald die erste Talstufe und sehen auf der gegenüberliegenden Talseite die bewirtschaftete „Burgumer Alm“. Erst seit kurzem führt eine Straße dorthin. Mühevoll musste bisher alles Nötige zur Almhütte den Berg hoch getragen werden und die erwirtschafteten Güter ebenso lange den steilen Weg hinab ins Tal gebracht werden. Um diese Alm sind Blumenwiesen wie man sie selten anderswo sehen kann. Eine Vielfalt und so verschwenderisch üppig! Das erhält sich so nur, wenn die Betrachter es mit nötiger Distanz bestaunen. Wäre die „Sterzinger Hütte“ ein touristisches Massenziel, wie es inzwischen so viele gibt, gäbe es auch hier bald nur noch das Übliche. Vor uns sehen wir bereits die zweite Talstufe. Ein unheimlich riesiges Blockfeld erhebt sich im Südosten. Davor, winzig klein und frei ausgesetzt auf einem Moränenbuckel, die „Sterzinger Hütte“, 2344 m hoch gelegen. Das Blockfeld gleich hinter der Hütte baut sich auf wie ein Relikt aus längst vergangener Erdgeschichte. So wird dieser Trümmerberg auch geologisch gedeutet: Eine tektonische Laune sei es gewesen, die den benachbarten Chloritschieferberg zur Hälfte hatte bersten lassen. Nirgendwo sonst in diesem Alpengebiet findet man exemplarisch hingeworfen so mächtige Felsbrocken. Sie sind hier das Ziel der Mineraliensammler seit gut hundert Jahren. Ausgerüstet mit gutem Werkzeug wird das Geröllfeld von diesen durchsucht. Das Klopfen hier ist mühsam, der Chloritfels unglaublich zäh. Man findet keine großen Kristalle, dafür aber Raritäten für den Sammler von Kleinstufen, dem „Mikro-Mounter“. Jemand, der keine längere Sammelpraxis hat, tut sich schwer hier etwas zu finden. Deshalb kommen auch nur wenige Einheimische und noch weniger Auswärtige hinauf ins Geröll.
Am Talende, hinter der Sterzinger Hütte, liegt die „Wilde Kreuzspitze“. Mit über 3000m Höhe, meist versteckt hinter tiefhängenden Wolken und bei klarem Wetter meist strahlend weiß vom Alt- oder Neuschnee, der hier fast das ganze Jahr zu sehen ist. Und westlich hinter diesem Gipfel mit dem wildromantischen Namen liegt der „Wilde See“ von dem man sich seit alters her schaurige Geschichten erzählt. Bei schönem Wetter gehört die „Wilde Kreuzspitze“ zu den grandiosesten Aussichtpunkten der näheren Region. In Richtung Osten kommt man über das „Sandjöchl“ hinüber zur „Brixner Hütte“. Der ganze Talschluss gleicht einem großen Amphitheater und während im ganzen Hochtal eine großartige Ruhe herrscht, widerhallen hier hinten die Laute mehrfach an den senkrechten und glatten Felswänden.
All diese Nischen und Kraftplätze erschließen sich einem nicht durch einen einmaligen Besuch. Man muss schon eigensinnig genug sein und immer wieder an diesen Ort zurückkehren und einen Blick für das Kleine und Nahe haben um diesen Ort wirklich zu ergründen und ihn sich in seiner Gemütsseele zu verinnerlichen.
Bleibe alles behütet und beschützt!
Text frei nach einer Schilderung von Joachim Hoßfeld aus dem Buch „Burgum im schönen Pfitschtal“.